Warum lesen die Leserinnen und Leser Ihre Texte, was interessiert sie (und warum legen sie welche Texte vielleicht doch gleich beiseite?) Und: Was bringt sie zum Handeln?
Mitunter haben wir unser eigenes Schreibziel klar vor Augen – was sehr gut ist –, vergessen darüber aber die Empfängerseite. Und sie ist genauso wichtig.
Prof. Siegfried Vögele, der „Pionier des Direkt- und Dialogmarketings“ hat dafür in den 1970er Jahren die Dialogmethode entwickelt. Sie ist ganz simpel und genau deshalb so wichtig: Texte sind Gespräche. Und die Leserinnen und Leser haben Fragen an einen Text, die dieser beantworten muss, damit sie dabeibleiben.
Fürs Dialogmarketing entwickelt, lässt sich die Methode dennoch auf alle Texte im Beruf anwenden.
Als Beispiel – typische Fragen des Empfängers an eine E-Mail:
- Wer schreibt mir? Kenne ich den Absender, das Unternehmen?
- Worum geht es?
- Interessiert mich das? Möchte oder muss ich das lesen?
- Lese ich das gleich oder lege ich es für später ab?
- Ist etwas zu tun? Wenn ja, was?
- Entgeht mir etwas, wenn ich das gleich wegwerfe/lösche?
Ob E-Mails, Angebote, Berichte, Fachartikel, Konzepte, Präsentationen, Newsletter, Blogartikel, Pressemitteilungen, Protokolle – die Dialogmethode passt immer. Schließlich geht es bei all diesen Texten darum, den anderen ihre (auch unausgesprochenen) Fragen zu beantworten, also um das Gespräch im Text.
Für die Dialogmethode nehmen Sie sich vor dem Schreiben eines Textes ein wenig Zeit und versetzen Sie sich in die Situation derjenigen hinein, die Ihren Text erhalten werden:
- Fragen auflisten: Stellen Sie sich vor, Sie seien Empfänger Ihres Textes und bekämen ihn gerade zu lesen, am Briefkasten oder am Computer oder unterwegs auf dem Handy: Welche Fragen würden Ihnen durch den Kopf gehen?
- Fragen beantworten: Wenn Sie die Fragen notiert haben, können Sie sich gleich ans Beantworten machen. Achten Sie dabei nicht auf die Wortwahl, schreiben Sie so, wie Sie die Fragen im Gespräch beantworten würden.
Notieren Sie beim Antworten den kompletten Gedanken, also Sätze oder zumindest Halbsätzenund nicht nur Stichpunkte. So wie Sie auch im Gespräch formulieren würden. Damit gewinnen Sie aussagekräftigeres „Rohmaterial“ für Ihre Texte. - Von den Antworten zum Text kommen: Wenn noch Zeit ist, legen Sie die Antworten erst einmal beiseite, z.B. über die Mittagspause oder bis zum nächsten Tag. Auf diese Weise gewinnen Sie Abstand und können danach mit frischem Blick auf Ihre Inhalte, Argumente und Formulierungen weiterarbeiten. Bei eiligen Texten kann es schon reichen, wenn Sie nach dem Beantworten der Fragen 5 Minuten an etwas anderem arbeiten.
Nehmen Sie sich dann Ihre Antwortnotizen vor und nutzen diese für Ihren Text. Was passt in welcher Reihenfolge, was können Sie noch zusammenfassen, was formulieren Sie um?
Die Dialogmethode lohnt sich auch, wenn Ihnen ein Thema nicht so liegt, Sie eine Schreibaufgabe immer wieder aufschieben oder Sie zwischendrin merken, dass Sie einfach nicht vorankommen und besser einen Schritt zurückgehen sollten. Die Fragen der Empfänger helfen Ihnen dabei, sich beim Schreiben auf das zu konzentrieren, was die anderen wirklich am Thema interessiert, was sie motiviert und was ihre möglichen Einwände sind.
In längeren Texten wie Handbüchern, Konzepten, Berichten oder Präsentationen können Sie mit den Fragen des Lesers immer wieder neu ansetzen, um im Schreiben zu bleiben. Versetzen Sie sich zu Beginn jedes Abschnittes oder Kapitels in den Leser hinein: Was interessiert ihn? Was sind seine Fragen zu dem neuen Abschnitt? Worüber möchte er mehr wissen? Denn der Leser entscheidet immer wieder neu: Lese ich weiter? Ist das für mich wichtig? Wie gründlich lese ich es? Mit dem Schreiben zu den Fragen des Lesers halten Sie das Interesse des anderen am Thema aufrecht.
Meistens werden Sie die Dialogmethode einsetzen, um ins Schreiben hineinzukommen, weitere Inhalte oder Argumente zu finden oder einen Text ganz neu zu verfassen. Manchmal unterstützt sie aber auch einfach dabei, nicht das Wichtigste zu vergessen. Einladungen ohne Termin und Ort, Angebote ohne Preisangaben – alles schon passiert. Da ist es sinnvoll, sich vor dem Schreiben die wichtigsten Fragen des Lesers zu notieren und diese zu beantworten.
Probieren Sie es aus, am besten gleich bei Ihrem nächsten Text. Umso öfter Sie die Dialogmethode anwenden, desto mehr gewöhnen Sie sich daran, die Fragen der Leserinnen und Leser beim Schreiben gleich mitzudenken.