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Auch "unterm" Telefon erreichbar?

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schreibtipps,

warum heißt es eigentlich, Sie erreichen mich „unter“ Telefon ...? Die Frage hat mir vor einiger Zeit mal ein Kunde gestellt. Und ich war ganz verblüfft, dass ich darüber noch nie nachgedacht hatte.

Nachdem ich im Netz nichts dazu fand, Anruf bei der Duden-Hotline. Auch dort Recherche, aber dann Rückruf und Auflösung: Die ersten Telefonbücher Ende des 19. Jahrhunderts waren sowohl nach Namen als auch nach Nummern sortiert. Unter (oder rechts neben) der Nummer war der Name zu finden.

Welche Bilder rufen unsere Formulierungen in den Köpfen unserer Leser hervor? Und sind es immer die richtigen?


Vom Kopfkino in der Korrespondenz

1. Willkommen im Kreis unserer Kunden

Das klingt nach großer Familie, oder? Wenn Sie mehr als 100 Kundinnen und Kunden  haben, wird es im Hof ganz schön voll. Alternativen sind z.B. "Danke, dass Sie sich für uns entschieden haben" oder "Wir freuen uns darauf, mit unserem Service für Sie da zu sein" oder "Ab jetzt profitieren Sie von ..." Oder noch ganz anders.

2. Ich unterbreite Ihnen ein Angebot.

Ein Arbeitstag im Jahre 1912: Der Bürodiener legt seinem Vorgesetzten – in gebeugter Haltung - die Dokumente zur Unterschrift vor. Er unterbreitet. Ohne "unter..." wird es z.B. „Gern habe ich ein Angebot für Sie zusammengestellt“ oder "Mein Vorschlag zu Ihrer Anfrage:" oder "zu Ihren Wünschen schicke ich Ihnen heute unser Angebot".


3. Würden, könnten, möchten

Die Verteidiger des Konjunktivs in der Korrespondenz bestehen darauf: Mit "würden" klingt es höflicher. Oft stimmt das auch. "Wir würden uns freuen, wenn Sie sich für eine Zusammenarbeit mit uns entscheiden könnten." klingt höflicher als "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit." Aber - um es in Kopfkino zu sagen - auch blasser. Und unhöflich ist das andere auch nicht. Prüfen Sie deshalb lieber, ob Sie "würden" & Co. im jeweiligen Satz wirklich brauchen.

4. Wir tragen dem Rechnung

Noch eine weitere Facette des Kopfkinos in der Korrespondenz: Zahlreiche Redewendungen sind aus dem Büro- in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Zum Beispiel "einen Strich durch die Rechnung machen" oder "noch eine Rechnung offen haben" oder "einem Thema Rechnung tragen". Mehr solcher Wort-Schätze finden Sie übrigens im (hellgrünen) Duden „Redewendungen“.

Schauen Sie selbst, welche Bilder bei Ihnen entstehen, wenn Sie eher klassische Formulierungen aus der Korrespondenz verwenden. Passen sie zu dem, was Sie sagen wollen? Wenn nicht, schreiben Sie es eben anders.

"Unter Telefon ..." benutze ich übrigens immer noch, auch wenn die Telefonverzeichnisse inzwischen anders sortiert sind. Aber eine interessante Geschichte fand ich es schon. 

Ein gutes und glückliches 2016 für Sie,
herzliche Grüße


 

 

 

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