Mit dem Schreibtipp des Monats erhalten Sie Anregungen fürs tägliche Texten. Auch als Auffrischung nach dem Seminar.


Umgangssprache? Ein Plädoyer

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schreibtipps,

das passiert häufig in meinen Schreibseminaren: Jemand präsentiert einen Text und ein anderer fragt zu einer bestimmten Formulierung nach: „Ist das nicht Umgangssprache?“

Der Unterton verrät – Sie ahnen es schon – die eigentliche Frage: „Ist das denn erlaubt?“ Zum Beispiel, weil im Satz ein „vermeintliches“ Füllwort wie „allerdings“ oder eine Redewendung vorkommt oder einer der Sätze mit einem großen „Und“ anfängt.

Miteinander umgehen, das klingt doch erst einmal angemessen für unsere mündliche und schriftliche Kommunikation mit Geschäftspartnern, Kunden, Kollegen, oder?

4 Tipps zu "Umgangssprache" beim beruflichen Schreiben:

1. Der Ton ist das Ziel:

Bei der Frage „Ist das nicht Umgangssprache?“ schwingt natürlich auch der Wunsch nach einer allgemeingültigen Regel mit. Die gibt es heute allerdings weniger denn je. Social Media, PR, interne Kommunikation, Rechnungswesen, ... -  je nach Kommunikationsrahmen passt nicht überall dasselbe.

Dann kommt noch die Marke bzw. die „Corporate Language“ dazu: Was stimmt für das jeweilige Unternehmen? Wie „lässig“ wird dort formuliert über die verschiedenen Kanäle? Nur mit dem entsprechenden Kommunikationsziel im Hinterkopf  lässt sich die Frage beantworten, wie viel Umgangssprache erlaubt oder sogar erwünscht ist.       


2. Wertschätzung ist Muss.

Ich weiß schon, das Wort „Wertschätzung“ ist selbst inzwischen ein wenig überstrapaziert. Ich meine es trotzdem. Was Umgangssprache auf keinen Fall soll, ist nachlässig oder respektlos wirken. Denn dann ist es eben kein guter Umgang miteinander.

Umso unbekannter mir derjenige ist, an den ich schreibe, desto eher werde ich eine angemessene Mischung finden zwischen einem eher klassischen Stil und genauso viel Zwanglosigkeit – oder Frische -, wie mir, meinem Unternehmen und dem Thema entspricht.



3. "Tun" schreibt man nicht und "brauchen" ist auch zu umgangsprachlich?

"Das tät ich anders machen." Wenn Sie diesen Satz lesen, dann wissen Sie, warum das Wort „tun“ schon früh auf unseren „Index“ für Schriftsprache gesetzt wurde.

Aber es gibt auch viel Gutes rund ums „tun“. Zum Beispiel: „Was können wir für Sie als Kunden tun?“ oder „Jetzt geht’s ans Tun!“ Und auch das nicht ganz so angesehene „brauchen“ ist mir persönlich lieber als „benötigen“, in dem die Not drinsteckt. Aber das ist auch eine Geschmacksfrage.

4. Wasserpolizei ist auch ugs.

Nun also doch noch "das" Regelwerk. Wer möchte, kann sich in der Frage nach Umgangssprache – zumindest bei der Wortwahl – auf den Duden zurückziehen.

Über 13.497! Treffer liefert dessen Internet-Seite zum Suchwort „umgangssprachlich“. Am häufigsten finden sich dort die Kurzformen: "Alu" für "Aluminium", "Info" für "Information", "Wasserpolizei" für "Wasserschutzpolizei".

Aber Info, Infomobil, Infostand, Infotag, Infoblatt, Infothek, ... sind Sie da nicht auch schon einmal schwach geworden und haben – im Sinne des Dudens – Umgangssprache verwendet?

 

Mein Abschlussplädoyer: Einfach ein bisschen weniger Angst vor „Umgangssprache“ an sich haben und mehr darauf schauen, was wo  passt und den guten Umgang miteinander fördert.


In diesem Sinne auf bald und
herzliche Grüße


 

 

 

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